Der Teamfalschspieler

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 2

Armin Thurnher
am 18.03.2020

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Sorge um sich selbst ist der Titel eines Buchs von Foucault. Es geht darin nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, um eine Anleitung zur Einsiedelei, sondern vielmehr um Selbstuntersuchung, damit man einer „wahrhaft gesellschaftlichen Praxis“ fähig würde. Der Unterschied zur katholischen Kirche ist mit freiem Auge nicht auszumachen, ich schreibe das aus der Erinnerung.

Selbstinspektion: Ich war in mich gegangen und hatte den Krisenkanzler mild betrachtet. Ich fand, meine Kritik an ihm neigte zur Manie. Es konnte doch nicht alles schlecht sein, was er tat. Ich behandelte sein Krisenmanagement also wohlwollend und zustimmend. Ich schrieb ein Seinesgleichen, bei dem die Zurückhaltung aus jedem Satz hervorächzte. „Musste er bei jeder Gelegenheit ins Rampenlicht?“ war das Äußerste an Kritik, das ich mir gestattete.

Den Verdacht, der Kanzler würde eine Krise, die er als existentiell darstellt, dazu missbrauchen, parteipolitischen Profit in Form von Medienpräsenz daraus abzuzapfen, plagte mich die ganze Zeit, schien mir aber zu schäbig. Die Rede vom „Team Austria“ ging mir als austrochauvinistisch auf die Nerven, aber ich ließ sie als identitätsbildende Anspielung für Schichten durchgehen, die man gern „bildungsfern“ nennt, also für den Ruß, der keine Zeitung liest; ja, auch als den Versuch, so etwas wie „gesellschaftliche Verantwortung light“ herzustellen.

Die Wirklichkeit ist schlimmer: Der Kanzler und der Innenminister ließen Inserate schalten, in denen sie ihre staatspolitische Tätigkeit für ihre parteipolitischen Interessen ausbeuten. „Wir sind als Republik Österreich ein Team…“ – das ist billig, frech und falsch. Ich bin mit Herrn Kurz in keinem Team, wir teilen nur die gleiche Staatsbürgerschaft. Es ist zu befürchten, dass gerade staatsbürgerliche Eigenschaften wie Selbstdenken in diesem Team abgeschafft werden sollen. Es ist zu befürchten, dass Sebastian Kurz Gemeinschaftsgefühle nicht für das Gemeinwesen wecken will, sondern für sich.

In seinem Team gelten andere Tugenden: Unterordnung unter den Zweck, die türkise Herrschaft zu festigen. Teamplayer heißt hier, das Team spielt für ihn. Kapitän Kurz missbraucht das Team für eigene Zwecke. Das ist mehr als ein Foul: das ist verachtenswert. Hier weckt einer edle Gefühle von Gemeinschaft und Verantwortung, aber hinter seinen Auftritten steckt nicht Interesse an Staat und Gemeinwohl, sondern sein privates, parteipolitisches Kalkül. Das ist nicht nur verächtlich, sondern verantwortungslos, denn es macht ihn auch als Krisenmanager unglaubwürdig. So verhält sich kein Bundeskanzler, so verhält sich ein politischer Hütchenspieler.

Es tut mir leid, dass die Tentakel politischer Gemeinheit bis in die Einsiedelei hineingreifen und sich jetzt auch an den Leserinnen und Lesern dieses Seuchenbriefs festgesaugt haben. Für Herrn Kurz habe ich einen Rat und einen Tipp. Der Rat: üben Sie Öffentlichkeitsfasten! Aus Sorge um sich selbst. Sonst werden Sie schnell merken, Sie haben es übertrieben. Der Lack des ernsten, erwachsenen Politikers, der ein Land verantwortungsvoll durch die Krise führt, ist spätestens seit Ihrem Inserat schon ab. Der Tipp: Gönnen Sie sich Sie wieder einmal ein Grooming, das Haar wellt sich schon sichtbar. Ein Wuckerl von Ihnen beunruhigt das Land immer noch mehr als zehn Kolumnen von mir.

Draußen blühen übrigens zartgelb Dirndlsträuche; ich wusste nicht, dass es im Waldviertel so viele gibt.

Keep cool, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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