„Viele erleben das Internet als sehr eingeschränkt“

In Südafrika setzt sich die #datamustfall-Bewegung für leistbaren Zugang zum Internet ein. Der südafrikanische Digitalberater Tim Human über mobile Daten und die morgigen Wahlen


ANNA GOLDENBERG

07.05.2019

Dass im Jahr 2020 tatsächlich alle öffentlichen Schulen in Südafrika Internet haben, wie es die Regierung verspricht, hält der Digitalberater Tim Human für unrealistisch
Foto: Anna Goldenberg

Bis zu 40 Prozent ihres monatlichen Einkommens geben Menschen in Südafrika für mobile Daten aus. In Südafrika dominieren drei Telekomanbieter den Markt. Als Kartell treiben MTN, Vodacom und Cell C die Preise in die Höhe und benachteiligen jene Menschen, die sich keine Verträge oder größere Datenpakete leisten können. Südafrika ist eines der ungleichsten Länder der Welt. Zehn Prozent der Bevölkerung besitzen 90 Prozent des Vermögens.

„Das Internet bringt Menschen in Südafrika nicht zusammen, sondern reißt sie weiter auseinander,“ sagt Tim Human. Er hat beim Projekt Isizwe gearbeitet, das kostenloses Internet in die Townships bringt. Nun ist er als unabhängiger Berater tätig und lebt in Kapstadt. Auf der Re:publica in Berlin erzählt er, wie die Bewegung #datamustfall für fairere Preise und besseren Zugang zum Internet einsetzt.

Falter: Herr Human, wieso ist der ungleiche Zugang zum Internet in Südafrika so ein Problem?

Tim Human: Wenn man kleine Datenpakete kauft, 15 oder 20 MB, kostet das zehn Mal mehr, als man für das gleiche Datenvolumen als Teil eines größeren Datenpakets zahlen würde. Das beutet ärmere Menschen aus. Es ist ohnehin nur Rund die Hälfte der Bevölkerung online, und von dieser Hälfte erleben viele das Internet als sehr eingeschränkt. Sie benutzen es meist lediglich zur Kommunikation, etwa über Whatsapp, aber nicht, um etwas zu entdecken. Mit 20 MB am Tag kannst du dir kaum Videos auf Youtube ansehen, keinen Onlinekurs machen oder dich als Kleinunternehmer selbstständig machen.

In Südafrika finden am 8. Mai Wahlen statt. Welche Rolle hat die Bewegung #datamustfall im Wahlkampf gespielt?

Human: Mehrere Parteien versprechen, dass sie sich für kostenloses W-Lan einsetzen und dafür sorgen wollen, dass die Preise für mobile Daten günstiger werden. Eine Idee ist beispielsweise, an öffentlichen Orten wie Schulen, Bibliotheken und Krankenhäusern W-Lan zu installieren. Der African National Congress (ANC), die regierende Partei, hat eine „Internet für Alle“-Kampagne. Sie wollen, dass bis 2020 alle Schulen Internet haben. Aber 2020 ist nächstes Jahr; ich halte es für unrealistisch, dass sie das hinbekommen.

Ist Datenschutz eigentlich ein Thema?

Human: Ein bisschen. In den vergangenen Wochen hat fast jeder in Südafrika Sms von den Parteien bekommen. Das wurde zu einem Gag: Existiert du überhaupt, wenn du keine Sms bekommen hast, scherzen wir oft. Man fragt sich allerdings sehr wohl, wo die Parteien die Daten herbekamen. Aber abgesehen davon sind die Menschen bereit, Privatsphäre aufzugeben, um an günstigeres Internet zu kommen. Wie „Big Brother“ wird Südafrika dann sein? Bei dieser Debatte sind wir noch nicht angelangt.