Ab in die virtuelle Realität

Dieses Jahr gab es auf der re:publica mehr VR-Innovationen zu testen als je zuvor. Ein Rundgang


ANNA GOLDENBERG

10.05.2017

Im Hof wird man von der VR-bebrillten Maus begrüßt (c) re:publica/Jan Zappner

Die klobigen Virtual-Reality-Brillen, die aussehen, als hätte man eine Schachtel vor den Augen, scheinen zum Symbol des digitalen Fortschritts erkoren zu sein. Zumindest könnte man das glauben, wenn man sich auf der re:publica, die heuer zum elften Mal in Berlin stattfindet, umsieht. Gefühlt ein Drittel aller Stände in der großen Ausstellungshalle bietet Besuchern an, mittels der Brille und Kopfhörern, in eine dreidimensionale Filmwelt einzutauchen. Trägt man die Brille und dreht den Kopf, sieht man einen anderen Bildausschnitt und hat so das Gefühl, mittendrin zu sein.

(c) re:publica/Gregor Fischer

(c) re:publica/Gregor Fischer

Die zwei 360 Grad-Produktionen des WDR werden prominent präsentiert: Einen Rundgang durch den Kölner Dom und die virtuelle, neunminütige Dokumentation „Inside Auschwitz„, in der drei Überlebende schildern, was ihnen im Vernichtungslager widerfuhr. Gezeigt werden dabei die Überreste von Auschwitz im heutigen Zustand, menschenleer. Luftaufnahmen machen das enorme Ausmaß des Lagers begreifbar.

(c) Li Alin/entermetonight.com

Im „Naughty Corner“ des eigens für VR-Spielerein bestimmten, dreistöckigen „Kühlhaus“ (das Konferenzgelände ist der ehemalige Postbahnhof) sah ich die dreiminütige Installation „Enter Me Tonight“ der kanadischen Künstlerin Li Alin. Weiß gekleidete, ident aussehende Frauen mit Männerstimmen saßen in einem bedrohlichen Kreis um mich herum und schlugen neue Möglichkeiten vor, die menschliche Reproduktion zu regeln. Sie klangen mäßig verlockend. Eine Figur hielt etwa eine überdimensionierte Spritze in der Hand.

360 Grad-Installation „Viens!“ (c) re:publica/Gregor Fischer

Nebenan erfreute sich die Installation „Viens!“, eine virtuelle erotische Erfahrung, außerordentlicher Beliebtheit. Als ich mich anstellen wollte, wurde mir mitgeteilt, die Batterie der VR-Brille sei leer.

(c) re:publica/Gregor Fischer

Also versuchte ich mich bei einem VR-Computerspiel namens „Lucid Trips„. Ich bekam eine Steuerkonsole in jede Hand gedrückt und bestand auf einmal nur aus Armen, mit denen ich in einem lilafarbenen Weltall Kristalle einsammeln musste. Die psychedelische Hintergrundmusik machte es nicht einfacher. Für Menschen mit Höhenangst sind solche Spiele nicht zu empfehlen.

In ein Korallenriff, einen Schlachthof und den Südsudan hätte ich eintauchen können, wären die Warteschlangen kürzer — und die physische Realität weniger spannend.