„Medien propagieren den Begriff von sich als Fake News“

Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling erklärt, wie man die Framing-Tricks der Politiker erkennt


ANNA GOLDENBERG

08.05.2017

US-Präsident Donald Trump nützte Framing erfolgreich im Wahlkampf (c) Gage Skidmore/Wikimedia Commons

Was ist Framing und warum ist es wichtig?

„Wir können Fakten nicht rein faktisch verarbeiten“, erklärt Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die an der UC Berkeley lehrt und forscht. Warum? Weil das Hirn automatisch das eigene Weltwissen, also das Erfahrene und Gefühlte, in die Interpretation der Realität miteinbezieht. Eindrücklich demonstriert das der McGurk-Effekt: Hört man eine Videoaufnahme mit einer falschen Tonspur, auf denen eine Person die Lippen so bewegt, als sagte sie „dada dada dada“, tatsächlich aber „baba baba baba“ zu hören ist, nehmen Zuseher das Gehörte als „dada dada dada“ wahr.

Wehling bezeichnet Wörter als „semantische Wundertüten“ — in jedem sei viel mehr drinnen, als wir glauben. In der Politik kann das genutzt werden, um Sachverhalten eine emotionale Komponente zu geben. Aktuelles Beispiel: Die „Flüchtlingswelle“ als Framing rund um Menschen auf der Flucht. Es vermittelt das Gefühl, das hier etwas Unaufhaltsames geschieht, vor dem man sich schützen muss.

Macht das wirklich einen Unterschied?

Und wie! Wehling nennt zwei Beispiele, die US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf erfolgreich genutzt hat: Er nannte seine Mitstreiter wiederholt dreckig und betonte, wie reinlich er selbst sei. Die Metapher dreckig = schlecht und sauber = gut kennen Menschen von klein auf. Studien zeigen, dass das Hirn physischen Ekel simuliert, wenn es Bilder von unappetitlichen Dingen zu sehen bekommt. Ein weiterer Framing-Trick von Trump: Er stilisiert sich als Vaterfigur und bezeichnete etwa Hillary Clinton als „nasty woman“, wobei „nasty“ im Englischen vor allem für Kinder verwendet wird.

Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling auf der re:publica 2017 in Berlin (c) re:publica/Jan Zappner

Was kann man dagegen tun?

„Wer Frames negiert, aktiviert und festigt sie,“ sagt Wehling. Als aktuelles Beispiel nennt sie den von Donald Trump eingesetzten Frame der „Fake News“ gegen die traditionellen Medien. Medien würden sich dagegen wehren, indem sie sich verteidigten — und sich so in die Sprache der Gegner einkauften: „Mr President, the media is not fake news“, sagte etwa Journalistenlegende Bob Woodward beim White House Correspondents Dinner vergangene Woche. Das, so Wehling, ist der falsche Weg: „Medien propagieren den Begriff von sich als Fake News“. Stattdessen müsse man betonen, dass Medien für Wahrheit und Transparenz stehen und ein unerlässlicher Teil demokratischer Gesellschaften sind.

Und was ist mit den Falschnachrichten, die oft auch als „Fake News“ bezeichnet werden?

Dafür fordert Wehling mehr sprachliche Schärfe und inhaltliche Genauigkeit. Man solle sagen, dass es sich um Falschmeldungen und Lügen handelt.

Lesetipp: „Das Theater der Populisten“ (Falter 42/16) — Christoph Hofingers Interview mit dem Framing-Experten George Lakoff