„Trump ist gut für Journalisten“

An der Journalismusschule der Columbia University beraten Studenten und Professoren, was ein Präsident Trump für ihre Branche bedeutet


ANNA GOLDENBERG

10.11.2016

Am Tag nach der Wahl diskutieren Studenten und Professoren der Columbia Journalism School, welche Rolle die Medien spielten (c) Anna Goldenberg

Der Journalismusnachwuchs ist verunsichert: Haben die Medien versagt?
(c) Anna Goldenberg

Schon in den ersten Stunden nach Donald Trumps unerwartetem Wahlsieg in der Nacht vom 8. November begannen die ersten Medien, sich selbst zu geißeln: „Journalisten hinterfragten die Umfragedaten nicht, wenn sie ihr Bauchgefühl bestätigten, dass Mr. Trump niemals in einer Million Jahren gewinnen könnte,“ schreibt Jim Rutenberg in den New York Times. „Sie porträtierten Trump-Unterstützer, die noch immer glaubten, dass er eine Chance hätte, als wären sie ohne Realitätsbezug. Dabei war es andersherum.“

Laut Margaret Sullivan in der Washington Post hätten Journalisten Menschen außerhalb der progressiven Küstenregionen nicht ernst genug genommen: „Sie konnten nicht glauben, dass das Amerika, das sie kannten, jemanden unterstützen konnte, der sich über einen behinderten Mann lustig macht, mit sexuellen Übergriffen angab, und Sexismus, Rassismus und Antisemitismus versprühte. Es wäre zu furchtbar. Also, laut magischem Denken, konnte es nicht passieren.“

Doch wie geht es weiter? Am Mittwoch Mittag ist der Aufenthaltsraum der bekannten Journalismusschule der Columbia University im Norden Manhattans gesteckt voll. Es ist ein spontanes Treffen. Fast die gesamte Fakultät ist da, darunter auch der Direktor, Pulitzerpreisträger Stephen Coll und der bekannte Autor und Journalist Jelani Cobb. Der Journalismusnachwuchs ist verunsichert.

Was haben Journalisten falsch gemacht, will eine Studentin wissen. „Es ist nicht unsere Aufgabe, Menschen zu sagen, für wen sie stimmen sollen“, sagt eine langjährige Professorin. „Es gibt Zyklen von Fortschritt und Rückschritt. Das ist kein Grund, das Vertrauen darin zu verlieren, was Journalisten tun,“ beruhigt auch Coll. Viele in der Branche befürchten, Trump werde die Pressefreiheit einschränken, indem er Medienorganisationen in kostspielige Gerichtsverfahren verwickle. Doch die konstitutionell verankerte Pressefreiheit könne er nicht wegnehmen, so Coll: „Ein Weg, darüber nachzudenken, ist sich zu überlegen, welche Möglichkeiten sich nun für Journalisten eröffnen. Die Clintons waren gute Kandidaten für Journalisten, weil es viele schlampige Interessenskonflikte gab, über die man berichten musste. Und dieser Kandidat ist auch gut für uns.“ Man lacht, ein wenig erleichtert.

Gestern wäre er bei einer Trump-Kundgebung gewesen, erzählt ein dunkelhaariger Student. „Ich frage mich, wie ich nun meinen Job machen soll, wenn ich mit Leuten zu tun habe, die nicht wollen, dass meine Familie und ich in diesem Land sind, weil wir Muslime sind“, sagt er. Seine Stimme versagt. Jemand reicht ihm ein Taschentuch. Seine Kommilitonen sind voll guter Vorschläge: Sie wollen zusammenhalten, einander unterstützen, darauf achten, die Stimmen von Minderheiten zu inkludieren und falsche Objektivität bei Berichterstattung vermeiden. Im Journalismus würden ständig Stellen gestrichen werden, sorgt sich eine Studentin, und der Druck, Geschichten für „Klicks“ zu produzieren werde immer höher. Wie bekäme man die Konversation zurück zu Inhalten? „Ihr werdet die sein, die in den Meetings aufstehen und die harten Fragen fragen“, sagt Coll. Die sozialen Medien, die Inhalte verteilen, ohne zwischen wahren und falschen Aussagen zu unterscheiden, müsse man genauer unter die Lupe nehmen.

Eine andere Professorin empfiehlt den Studenten des einjährigen Masterprogramms, sie sollten sich um Stellen in ländlichen Gebieten bemühen, weg von den Metropolen, raus aus der Journalistenblase. Und ein altgedienter Professor, der 1973 selbst an diese Schule ging, beruhigt: „Nach den Wahlen 1972, als Nixon wiedergewählt wurde, waren wir auch schockiert. Schließlich hatte er eine Abschussliste voller Journalisten.“ Seine zweite Amtszeit, erzählt er weiter, hat er trotzdem nicht überstanden — dank zwei junger Journalisten bei der Washington Post, die den Watergate-Skandal aufdeckten„Unsere Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass Donald Trump ehrlich bleibt.“