Die letzten Tage der Clinton-Kampagne

Hillary Clintons Sieg am Dienstag hängt stark von der Wahlbeteiligung ab. Ihre Unterstützer führen deshalb Telefonkampagnen durch — bis zur letzten Minute


ANNA GOLDENBERG

08.11.2016

Bei den Telefonkampagnen kann jeder mithelfen, auch wenn es nur für einige Minuten ist (c) Anna Goldenberg

Bei den Telefonkampagnen kann jeder mithelfen, auch wenn es nur für einige Minuten ist
(c) Anna Goldenberg

„Sie haben schon gewählt? Für Hillary Clinton? Sie sind der Beste! Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag! Sie haben nämlich gerade meinen Tag gerettet.“ Alex Orosco grinst in sein Smartphone und legt auf. Auf dem Laptop vor ihm klickt er die entsprechenden Felder an: Ja, Gespräch wurde geführt. Ja, Hillary Clinton-Unterstützer. Speichern und weiter.

In den letzten Tagen vor der Wahl sowie am 8. November selbst wird in Amerika vor allem eines — telefoniert. Die Clinton-Kampagne organisiert seit Monaten sogenannte „Phone Banks“, bei der Freiwillige andere Wahlberechtigten anrufen, um sie dazu zu bewegen, für Hillary Clinton zu stimmen. Seit ein paar Wochen geht es weniger um Überzeugungsarbeit, sondern darum, Menschen daran zu erinnern, am Dienstag tatsächlich wählen zu gehen.

In Astoria, einer hippen, multikulturellen Nachbarschaft in Queens haben sich in den Räumlichkeiten des Powhatan Democratic Club eine Handvoll Unterstützer gefunden, um genau dies zu tun. Alex Orosco, der im Verkauf arbeitet, sitzt gemeinsam mit der pensionierten Lehrerin Sheila Sherman und Kevin Bogart, im Flugverkehrmanagement tätig und zur Zeit arbeitslos, an einem großen Holztisch. An der Wand hinter ihnen prangt eine Abschrift der amerikanischen Verfassung und zwei Flaggen. Auf einem Tischchen steht ein Pizzakarton und Kekse. Heute rufen sie in Florida an, ein wichtiger Swing State.

Die Anrufe folgen dem gleichen Schema: Ich rufe Sie im Namen der Demokratischen Partei Florida an. Ich wollte Sie daran erinnern, morgen wählen zu gehen. Oder waren Sie schon? Wissen Sie, wo Ihr Wahllokal ist? Am besten, Sie kommen früh, die Schlangen werden sicher lang sein.

40 Anrufe wird Alex Orosco im Laufe des Nachmittags tätigen (c) Anna Goldenberg

40 Anrufe wird Alex Orosco im Laufe des Nachmittags tätigen
(c) Anna Goldenberg

Die Daten kommen von der Clinton-Kampagne,die auch die Laptops zur Verfügung stellt. Die Helfer benutzen ihre eigenen Telefone. In der Datenbank befinden sich nur registrierte Demokraten oder Unabhängige. Neben der Parteizugehörigkeit sehen die Anrufer Namen, Alter, Geschlecht, Telefonnummer, Wohnort und Wahllokal.

Immer wieder geraten die Anrufer an Unterstützer des republikanischen Kandidaten Donald Trump. Mit denen sollen sie eigentlich nicht diskutieren, das sei Zeitverschwendung, doch Orosco kann es nicht lassen: “Die republikanischen Quellen verzerren einiges”, erklärt er am Telefon. “Sie ist eine Berufspolitikerin.”

Er mag Hillary Clinton, erzählt Orosco, der in Mexiko geboren wurde und perfekt Spanisch und Englisch spricht, später, aber „sie allein ist nicht genug, um mich hier herzubringen.“ Es ist die Furcht vor einer Präsidentschaft von Trump, den er nur “die orange Person” nennt, die ihn dazu gebracht hat, mitzuhelfen.

Hebt niemand ab, hinterlassen die Clinton-Helfer bei registrierten Demokraten eine Sprachnachricht. Das geschieht sehr oft. Viele andere hängen gleich auf oder beschimpfen sie. Er beneide die Menschen in den Swing States wie Florida oder Ohio ja nicht, erzählt Kevin Bogart. Immer wieder käme es vor, dass diese sich beschwerten, bereits den zehnten Anruf erhalten zu haben.

Den Powhatan Democratic Club, der die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, gibt es seit über hundert Jahren (c) Anna Goldenberg

Den Powhatan Democratic Club, der die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, gibt es seit 116 Jahren
(c) Anna Goldenberg

Bogart, der bereits 2004 und 2008 für die Demokraten bei den Wahlen aushalf, reiste in den vergangenen Wochen sogar nach Nevada und Pennsylvania, um für Clinton zu werben. Von Tür zu Tür zu gehen machte ihm Spaß: “Man sieht den Hund, die Kinder. Da ist es für die Leute schwieriger, gemein zu sein.” Außerdem ist dieses Jahr die Stimmung anders: So viel Hass und Feindseligkeit habe er noch nie erlebt, erzählt er. “Für Obama waren wir glückliche Krieger.”