„Ich mache eure Fantasie vom amerikanischen Traum zur Realität“

Politikveteran Errol Louis über die historischen Parallelen zu Trump und was man vom ersten schwarzen Bürgermeister New Yorks lernen kann


ANNA GOLDENBERG

23.10.2016

Politikjournalist und TV-Moderator Errol Louis (c) David Shankbone/Wikimedia Commons

Politikjournalist und TV-Moderator Errol Louis
(c) David Shankbone/Wikimedia Commons

Falter: Mr. Louis, Sie verfolgen den Zusammenhang zwischen den Geschehnissen in New York und landesweiten Trends in der Politik seit fast 30 Jahren mit. Hat es Sie überrascht, dass Donald Trump so weit gekommen ist?

Errol Louis: Ja. Trump ist ein ungewöhnlicher Kandidat auf mehreren Levels. Erstens, wir hatten 44 Präsidenten, und jeder einzelne hatte entweder ein politisches Amt inne oder diente im Militär, bevor er gewählt wurde. Es gab nur einen Kandidaten, der nicht in eine dieser Kategorien passte, und das war Wendell Willkie, der 1940 der Kandidat der Republikaner war. Aber er war eine Kompromisslösung und gewann nicht.

Die andere Sache, die mich überraschte, ist seine Vulgarität, die die Karriere der meisten anderen Politiker beendet hätte. Das Fluchen, die Drohungen, die Beleidigungen, das Anstacheln von Gewalt. Er hat viele Regeln gebrochen. Im Jänner war ich in Iowa und habe sein Wahlkampfbüro besucht und es war einfach nichts dort. Er hat sich darauf verlassen, dass seine unglaublichen Statements kostenlose Berichterstattung generieren.

Hat sein Erfolg etwas damit zu tun, dass er in jeder Hinsicht einen scharfen Kontrast zu Barack Obama bildet?

Seit der Bürgerrechtsbewegung gibt es hier eine Politik der Rückschläge. Es gab das Wahlrecht für Schwarze und sie wählten Repräsentanten und schließlich einen Präsidenten. Es gibt Menschen, die mögen das nicht, und Politiker, die das nutzen. Rudy Giuliani, zum Beispiel, er kandidierte 1993 gegen den ersten afroamerikanischen Bürgermeister New Yorks, David Dinkins, und Giulanis Slogan war “Eine Stadt, ein Standard.” Jeder wusste, was damit gemeint war: “Diese Leute” bekommen Privilegien und verändern die Stadt. Giuliani weigerte sich, in schwarzen Kirchen zu sprechen und sich mit schwarzen Politikern zu treffen — und er wurde gewählt.

Und wie macht es Trump?

Trump wurde durch die “Birther”-Kampagne ein Politiker. Er stellte in Frage, ob Obama wirklich in den USA geboren wurde und in Harvard studiert hatte. Es gibt Menschen in diesem Land, die das glauben wollen. Wenn man in einem mies bezahlten Job arbeitet, weil die Fabrik ins Ausland verlegt wurde, wenn man sein Haus durch Pfändung verloren hat, wenn es den eigenen Kindern schlechter geht als einem selbst, und dann redet Obama über die Homo-Ehe, sind diese Leute nahe dran, zu explodieren. Und dann kommt ein Donald Trump und sagt: “Das ist alles ein Betrug. Der Typ ist unrechtmäßig. Stimmt für mich, und ich mache eure Fantasie vom amerikanischen Traum zur Realität.”

Der gebürtige New Yorker Errol Louis ist der Moderator der Politiksendung “Inside City Hall” des New Yorker Fernsehsenders NY1 und schreibt Kolumnen für New York Daily News und CNN. Außerdem leitet er das Urban Reporting-Program  der City University of New York und unterrichtete die Verfasserin dieser Zeilen an der Columbia University Graduate School of Journalism.