
ANNA GOLDENBERG —
18.10.2016
“Das sind die zwei schlimmsten Menschen, die ich je erlebt habe. Und einer von den beiden wird unser nächster Präsident,” sprach der rotbärtige Grenzbeamte vergangenen Samstag am John F. Kennedy Flughafen in New York City und stempelte meinen Pass. Diskussionen über historische Vergleiche schienen an diesem Punkt unangebracht, doch das zugrunde liegende Gefühl nachzuvollziehen, fällt nicht schwer: Fast anderthalb Jahre Wahlkampf hat das Land schon hinter sich; kann man überhaupt so lange begeistert bleiben?
Ich bin nach New York gereist, um das herauszufinden. Wie geht es den Menschen in den letzten Wochen vor den Wahlen? Und wie danach? Wie blicken sie auf die Amtszeit des ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama zurück? Und was erhoffen sie sich von der Zukunft, in der sie entweder erstmals von einer Frau, Hillary Clinton, oder von Donald Trump, der bei Amtsantritt älter als alle seine Vorgänger wäre, regiert werden?
In New York will ich einige Antworten finden. Warum gerade hier? Die acht-Millionen-Einwohner-Metropole an der US-Ostküste, hört man oft, sei mit dem Rest des Landes nicht zu vergleichen. Zu international, zu progressiv, zu demokratisch. Schon klar, die Stadt hat seit 1924 keinem republikanischen Präsidentschaftskandidaten eine Mehrheit gegeben, es gibt sechsmal so viele demokratisch als republikanisch registrierte Wähler, in keiner amerikanischen Stadt benützen mehr Menschen öffentliche Verkehrsmittel, um zur Arbeit zu gelangen.
Doch man muss nur ein bisschen genauer hinschauen und sich nicht von den Klischees beeinflussen lassen. Die Stadtneurotiker, die “Sex and the City”-Abenteurer, die Andy Warhols und Ai Weiweis gibt es, ja, aber sie sind nicht die einzigen hier. Die anderen sind vielfältig, kommen aus allen Ecken des Landes und der Welt, unterscheiden sich in ihrem Denken und Glauben. New York hat strengreligiöse Parallelgesellschaften und leidenschaftliche Republikaner, Millionäre und Obdachlose, Emigranten und Mayflower-Nachfahren.
Einen weiteren guten Grund, warum ich gerade in New York nach Antworten suche gibt es: Ich habe selbst bereits mehrere Jahre hier verbracht. Was ich dort erlebt habe, können Sie anderswo nachlesen, etwa hier und da und dort. Bis Mitte November werde ich wieder da sein und über die Stimmung vor, während und nach den Wahlen berichten — auf diesem Blog, bisweilen auf Twitter, Snapchat und Instagram, und natürlich in Reportagen im Falter, die es für Abonnenten auch kostenfrei auf dieser Homepage gibt.