„Facebook hat Hausaufgaben zu machen“

Lorena Jaume-Palasí von der Initiative AlgorithmWatch erklärt, warum sie sich dafür einsetzt, Algorithmen nachvollziehbar zu machen


ANNA GOLDENBERG

04.05.2016

Lorena Jaume-Palasi wünscht sich eine gesellschaftliche Debatte über Algorithmen

Frau Jaume-Palasí, AlgorithmWatch, Ihre Initiative, die Sie gemeinsam mit Lorenz Matzat, Matthias Spielkamp und Katharina Zweig gegründet haben, ist heute gestartet. Was gab den Anstoß dazu?

Wir sehen eine latente Semantik der Angst, wenn man über neue Technologien redet. Das ist verknüpft mit Tatsache, dass man neue Angebote gar nicht nachvollziehen kann. Was machen Algorithmen so, wie funktionieren sie, was ist legitim — es gibt es keine Auseinandersetzung. Wir wollen nicht eine weitere Plattform sein, die „Vorsicht, Internet!“ sagt, sondern wir wollen eine sachliche Diskussion, die auf Fakten basiert und auch aus ethischen Auseinandersetzungen besteht. Die soll nicht nur für Fachexperten, sondern auch für die Laien, die im Endeffekt die Hauptnutzer sind, zugänglich sein.

Wie funktioniert die Plattform?

Einerseits wollen wir Fachexperten und Interessierten ein Netzwerk anbieten. Man kann aber auch Sachen melden. Sprich, wenn User merken, ich benütze diese Plattform und es passieren Sachen, die ich nicht nachvollziehen kann und mir komisch vorkommen, können sie uns bitten zu gucken. Wir streben auch Aufklärungscharakter an, zum Beispiel wollen wir uns überlegen, wie man die Debatte im Unterricht einbauen kann. Und natürlich wollen wir auch Druck aufbauen, wenn bestimme Anbieter Algorithmen nicht nachvollziehbar machen wollen. Wir fordern nicht, dass Google oder Facebook ihren Code öffentlich machen, sondern uns geht es darum, aufmerksam zu machen, dass Algorithmen nachvollziehbar sein können. Die Menschen verstehen nicht, warum auf ihrer Timeline bestimmte Informationen auftauchen. Da fehlt eine Erklärung. Facebook hat Hausaufgaben zu machen.

Was für Sachen kann man bei euch melden?

Es gibt zum Beispiel Leute, die auf Onlineshoppingportalen nicht verstehen, warum Produkte in der Liste der „meistempfohlenen Produkte“ aufscheinen. Dann kann man einen Aufruf an Freiwillige oder Studierende starten: Wir wollen uns diesen Algorithmus anschauen, könnt ihr folgende Anfragen an das Onlineshoppingportal schicken und uns die Ergebnisse zuschicken? Dann vergleichen wir, wer welche Reihenfolge der Produkte sieht. Bei Kundenbewertungen haben wir schon Unregelmäßigkeiten entdeckt. Das kann ein Fehler im Algorithmus sein — oder es wird jemand abgestraft, etwa für Fake-Bewertungen. Aber wir wissen’s halt nicht.

Wie seid ihr finanziert?

Gar nicht. Wir haben gedacht, wir machen eine Grassroots-Initiative. Wir werden Stiftungen und Institutionen anzusprechen. Vielleicht wird es auch Spendenaufrufe geben, um die Analysen zu machen, die wir vorhaben.

Lorena Jaume-Palasi forscht über die zeitgenössische Vorstellung und die Dynamiken digitaler Öffentlichkeit und Privatheit an der Fakultät für Philosophie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie gründete AlgorithmWatch gemeinsam mit der Informatikerin Katharina Zweig, dem Journalist und Softwareentwickler Lorenz Matzat und Matthias Spielkamp, dem Gründer von iRights.info. Mit dem Falter sprach sie bei der re:publica 2016 in Berlin.

Foto (c) Steffen Leidel