„Im Netz hat man weniger Handlungsmöglichkeiten“

Fabian Wichmann von EXIT-Deutschland über die Kampagne "Hass hilft"


ANNA GOLDENBERG

02.05.2016

Fabian Wichmann von EXIT-Deutschland bei der re:publica 2016 in Berlin

Fabian Wichmann von EXIT-Deutschland bei der re:publica 2016 in Berlin

Herr Wichmann, gerade eben haben Sie erfahren, dass „Hass hilft“ von Ihrer Organisation EXIT-Deutschland den Publikumspreis „Best of Online Activism“ der Deutschen Welle gewonnen hat. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Es ist eine Übertragung von „Rechts gegen Rechts“ von der Realität ins Netz. Bei „Rechts gegen Rechts“ haben wir einen rechten Trauermarsch im November 2014 zu einem Spendenlauf gemacht und 20.000 Euro gesammelt. Im Netz hat man weniger Handlungsmöglichkeiten. Man kann zwar dagegenreden, aber man hat keine Auseinandersetzung, die lange Bestand hat. Wir wollen die direkte Ansprache suchen und fordern Benutzer auf, gegen rechtsextreme Inhalte zu spenden.

Wie funktioniert das?

Für jeden Hasskommentar spenden wir einen Euro an „Aktion Deutschland hilft“ oder „EXIT-Deutschland.“ Das kommentieren wir mit einem Post. Es läuft seit Oktober 2015 und wir haben schon mehr als 10.000 Euro gesammelt. Ein Teil kommt von Partnern und ein großer Teil von Nutzern. Sie schicken uns Hasskommentare und oft fünf Euro oder so. Wir können nicht mehr alle Seiten kommentieren, weil man uns oft geblockt hat.

Ist das Austricksen ein konstruktiver Zugang?

Wir wollen, dass der ein oder andere darüber nachdenkt und vielleicht sagt, das ist zu doof, ich höre auf. Das Ziel ist, ein Selbstregulativ zu entwickeln. Gleichzeitig wollen wir gegen Hass im Netz vorgehen. Klar wird es nicht zur Freude der Teilnehmer beitragen. Wir müssen nicht allen nach dem Munde reden, „lieber Neonazi, denk mal darüber nach.“ Es muss Reibung geben, wenngleich wir versuchen, die Grenze zu haben, dass man das Gegenüber nicht abfällig beleidigt. Außerdem hilft es, indem es unser Label bekanntmacht.

 Gibt es den „klassischen“ Neonazi mit Bomberjacke und Glatze überhaupt noch?

Wir finden auch viel moderne Erscheinungsformen, aber die Einstellungen sind die gleichen. Heute muss man sich mehr mit den Menschen auseinandersetzen. Wie sie aussehen, ist abhängig von der Gruppe und von dem, was man gesellschaftspolitisch erreichen will. Die rechtspopulistischen Gruppen sind gesellschaftspolitischer relevanter, weil sie gesellschaftsfähig diskutieren.

Fabian Wichmann arbeitet bei EXIT-Deutschland, einer Initiative, die Menschen beim Ausstieg aus rechtsextremen Kreisen hilft, und ist Initiator der Initiativen „Rechts gegen Rechts“ und „Hass hilft.“

Foto (c) Anna Goldenberg