„Wer sich mit mir verabredet, darf mit einem Eissalon als Treffpunkt rechnen. Ich liebe Eis, ich könnte mich im Sommer fast ausschließlich davon ernähren. Das Gianni de Pellegrin ist für mich wie ein zweites Wohnzimmer. Eine wunderbar unstylische, italienische Gelateria. Draußen hängen Menschen über ihren elektronischen Apparaten. Drinnen ist die Welt noch in Ordnung. Hier findet man echte Menschen, dafür braucht man kein Lifestyle-Konzept.
Ein weiterer Platz, an dem ich mich zuhause fühle, ist das Hotel am Brillantengrund. Es heißt so, weil Neubau einst Hotspot der Textilproduktion war und viele Manufakturbesitzer zu großem Reichtum kamen. Ich liebe Hotels, ich genieße das Zusammentreffen von Reisenden, Verweilenden und Dauergästen. Eigentlich die ideale Wohnsituation – Marcel Prawy hat das richtig erkannt!
Sechs Mal bin ich innerhalb von Wien übersiedelt und immer habe ich gehofft, dass mich die neue Umgebung annimmt. Die Seidengasse ist ein sehr guter Platz, hier schlafe ich gut, ich vermisse einzig den ehemaligen Zielpunkt im Nebenhaus. Besonderheiten wie Plissieranstalten gibt es leider nicht mehr, aber immerhin überleben Spezialisten wie der Metallwarenhändler Petzolt oder typisch wienerische Textilgeschäfte wie Gretl. Dort hat man noch ein Herz für ältere Damen mit schütterem Haar und näht ihnen Einlagen in die Kopftücher. Damit das Tuch schön steht. Das finde ich so entzückend, dass mir beinahe die Tränen kommen. Ich möchte Wien als Fundament meiner Arbeit nie missen. Diese verschrobene Szenerie finde ich auf den Straßen anderer Großstädte nicht. Wien ist modisch so hinterher, dass es schon wieder die Chance hat, seiner Zeit voraus zu sein.“ Protokolliert von Hannah Schifko
Susanne Bisovsky ist Kleidermacherin, sie lebt und arbeitet am Brillantengrund. Ihr Haute-Couture-Salon in der Seidengasse 13 ist Treffpunkt internationaler Klientel und Geburtsstätte des „Wiener Chic“