„Der Siebte ist ein unglaublicher Schnöselbezirk. Die Leute tragen Jutesackerln und sind sehr selbstgerecht. Durch Zufall habe ich Mitte der Neunziger einen Immobilienhändler kennengelernt, der unter den Immobilienhändlern eine totale Ausnahme war: Er war kein Arschloch. Er hat mir eine erschwingliche Dachterrassenwohnung in einer ehemaligen Kosmetikfabrik in der Westbahnstraße gezeigt, dort bin ich im Jahr 2000 eingezogen.
Überhaupt bin ich kein Freund von Wien. Die Stadt hat keinen Charakter, die Leute sind opportunistisch und frustriert. Ich wohne nur noch hier, weil meine Wohnung schön ist und die Geschäftsbesitzer um mich herum eine kleine Familie geworden sind. Es ist wie in einem Dorf. Im Café Arnes kocht der Kurde Haydar die beste Linsensuppe. Die IG Fahrrad ist nicht nur mein Radhändler, sondern auch mein Lieferant für Olivenöl und Wein. Avi, der Juwelier aus Tadschikistan daneben, repariert mir den Reißverschluss meiner Lederjacke, wenn er kaputtgeht. Bei Sayathan aus Sri Lanka kann man um Mitternacht noch Bier kaufen. Rechts die Straße runter gibt es noch einen sehr netten Eisladen von einem italienischen Ehepaar. Auf einem der beiden Sessel Platz nehmen, die Leute in der Westbahnstraße beobachten – da absolviert man in einer Stunde ein ganzes Soziologiestudium.
Das war’s aber auch schon. Es gibt noch Hunderte In-Lokale. Belegte Brote mit Tofu um sechs Euro, selbstgebrühter Kaffee um 2,50 … Sind die alle wahnsinnig? In einen Concept-Store bringen mich keine zehn Pferde rein. Ich brauche persönliche Kontakte zum Leben. Und nicht Kleidung von einem New Yorker Designer.“ Protokolliert von Adrian Engel
Kurt Palm ist Regisseur und Autor. Sein aktueller Roman heißt „Bringt mir die Nudel von Gioachino Rossini. Kein Spaghetti-Western“. Im siebten Bezirk stellt er immer wieder seine Fotosammlung von toten Tieren aus